Nachfolgend lesen Sie ein paar Gedanken, die mir wie ein Blitzlichtgewitter durch den Kopf schießen. Sie sind ein wenig unsortiert, nicht vollständig ausformuliert und würden, wenn sie umfassend beschrieben wären, ein ganzes Buch füllen.
Die Gedanken haben ihren Ausgangspunkt darin, dass es den Verantwortlichen der Krise gut gehen wird, während die Leidtragenden, z.B.
- die fleißigen Manager und Angestellten von Banken, die Ihre Arbeit zum überwiegendenden Teil gut und nützlich für die Gesellschaft erbringen
- Groß- und Kleinunternehmen
- Mittelstand als Rückrat der Gesellschaft
- Sparer
- Journalisten, deren Börsenberichterstattung nicht mehr benötigt wird
- Kulturschaffende
- überall dort in Wirtschaft und Gesellschaft, wo Finanzierungen auf der Kippe stehen
- all diejenigen, die absolut nichts mit der Finanzkrise zu tun hatten,
nun mit erheblichen Schwierigkeiten und Einschränkungen zu kämpfen haben. Das sorgt für Frustration, Empörung und revolutionäre Gedanken.
Geld widersetzt sich der Schwerkraft: Es fließt von unten nach oben.
Die Langfrist-Ökonomen haben Recht mit ihrer Skepsis.
Paul Krugman hat schon 1999 vor den Vorboten und Mechanismen eines enttäuschenden Konsums der Amerikaner gewarnt.
http://www.movingmarkets.de/archiv/20011107enttaeuschter_Konsum.htm
Roubinis Thesen gingen wahrscheinlich in die gleiche Richtung, damals.
Allerdings besteht das Problem, dass die beiden Herren nicht unser Geld verwalten, sondern wir das allein tun müssen.
So, wie Krugman 1999 ein Problem mit dem Timing hatte und Roubini 2006 zu früh warnte, ist zurzeit vollkommen offen, ob Aktienmärkte steigen oder fallen werden.
Was ein Verbraucher derzeit tun kann, ist
* Schuldverschreibungen meiden
* Haushalt auf eine gesellschaftliche Krise vorbereiten
* Sachwerte bevorzugen
Inflation oder Deflation – alles ist möglich.
Was nützt es, wenn „Experten“ (meine damit nicht Krugman & Co), die die Regierung beraten, und Politiker in die Mikrofone sagen, dass „solche Risiken“ künftig nicht mehr eingegangen werden dürfen – und die Öffentlichkeit immer noch nicht über die wahren Ausmaße der Krise informieren. Sie beschreiben noch nicht einmal die Chancen und Risiken, die mit ihrem neuerlichen Eingriff entstehen.
Mit dem „Verschlimmbesserungspaket“ werden nach dem Gießkannenprinzip Gelder in alle Richtungen ausgeschüttet und der Staat will sich auch noch „für die Rechte der Sparer“ einsetzen.
Der Staat erlaubt sich weitgehende Mitsprachrechte bei der Führung von Unternehmen. In der Vergangenheit hat es sich regelmäßig gezeigt, dass der Staat schlechter abschneidet, wenn er sich einmischt. Sein unternehmerisches Handeln führt regelmäßig zu höheren Kosten, Schulden, Ineffizienz, während privatwirtschaftliche Lösungen besser funktionieren.
Dass die Bankenkrise entstanden sei, weil Unternehmen „frei“ waren, wird zurzeit in den Medien falsch dargestellt und eröffnet staatlicher Regulierung, sprich Einschränkung der Freiheit der Bürger, Tor und Tür.
Zudem wird die Entstehung der Finanzkrise verkürzt dargestellt. Das grenzt an Geschichtsfälschung.
Die Krise wurde nicht von privatem Handeln verursacht, sondern Beamte des Staates und die Legislative haben die Verbriefung von Risiken gefördert.
Schrecklich!
Staatliche Eingriffe verhinderten eine gesunde Konsolidierung 1997, 1998, 2001, 2003. Es wäre z.B. 1998 besser gewesen, die Bank of Amerika Pleite gehen zu lassen als heute zu lamentieren, wie schlecht Bankmanager sind.
Der freie Markt hatte in den vergangenen 10 Jahren viermal die Chance, eine umfassende Konsolidierung einzuleiten. Aber weil jedesmal die Notenbanken und Regierungen in die Funktionalität des freien Marktes eingriffen (z.B. Aufweichung der Bilanzrichtlinien für Versicherungen 2001ff), haben wir zurzeit dieses Problem.
Das ist ein jahrelang staatlich geförderter Zugriff auf Privatvermögen, wenn nicht sogar ein Putsch durch die Hintertür – und das Volk freut sich, dass sein Sparguthaben gerettet ist.
Jetzt kommen solche Leute, wie Krugman, Shiller und Roubini in die Öffentlichkeit und die Welt hängt an ihren Lippen. Vor ein paar Jahren wurden Sie verlacht. Heute nutzt es niemandem mehr.
Skandal!
Entscheidungsträger in der Politik kennen die Risiken und reden sich aus ihrer Verantwortung heraus, indem sie ihre Fehlleistungen der Vergangenheit schönreden. Die deutschen Finanzminister haben als Manager des Volksvermögens versagt, Namen sind austauschbar. Liebe Herren: Ihr Musterdepot ist ins Minus gerutscht und kann geschlossen werden. Andere Dienstleister schließen ihre Musterdepots, wenn sie mehr als 80 Prozent in die Verlustzone rutschen. Diesen Zeitpunkt haben Sie bereits seit Dekaden verpasst.
In den USA gelang es Robert. E. Rubin unter der Clinton-Regierung in den 90ern, einen Überschuss in der Haushaltskasse zu produzieren! Dieser Mann tingelte Anfang 2007 durch die Welt, um vor den Risiken zu warnen, die er detailliert in seinem Buch beschrieb. Aber nichts geschah, um das Unheil abzuwenden.
Die Krise lässt neue Chancen entstehen. Wir bezahlen mit dem Preis der Freiheit. Sie wurde mit rund 500 Mrd EUR +XXX teuer verkauft. Mit den neuen Schulden lassen sich viele spannende Dinge finanzieren, die unserem Land hoffentlich einige Jahre Aufschub geben bis zum großen Knall. Mit etwas Glück lässt sich ein Zusammenbruch des Finanzsystems sogar vollständig vermeiden.
Die hohen Summen, die nach den Gesetzesbeschlüssen in Umlauf gebracht werden, könnten als das größte Konjunkturprogramm der Welt in die Geschichte eingehen. Damit können Wirtschaft und Gesellschaft gesunden – wenn alle Beteiligten auf dem Teppich bleiben.
Sie wundern sich jetzt wahrscheinlich, dass der Bericht so versönlich schließt. Das ist das Phänomen des Schreibens: Schlechte Gedanken werden zu Papier gebracht und wenn sie das Hamsterrad im Kopf verlassen haben, fühlt man sich besser.
Probieren Sie es aus, wenn Sie beim nächsten Mal einen Groll gegen Ihren Partner oder Ihre Partnerin hegen: Schreiben Sie einen Brief. Er dürfte bitterböse beginnen und mit einem „ich liebe Dich genau deswegen“ enden.
Genauso sollte die Finanzkrise weitergehen.
PS
Am 30.10.1998 schrieb ich in der Nachbetrachtung des Crash-Kalenders bei Moving Markets:
So sind die positiven Signale kaum als konstruktiv anzusehen, sondern eher als „Schönreden“ in kritischer Zeit – oder Bildhaft formuliert: durch die rosa Brille geschaut. Obwohl die Krisenherde nicht bereinigt sind, bekommt man als Beobachter den Eindruck (durch die Medien transportiert), daß die Akteure alles im Griff haben und alles daran setzen werden (= Auflehnung und Widerspruchsgeist gegen die Krise), die Konflikte friedlich zu lösen.
Wichtig dabei: Alle Entscheidungen aus diesen Tagen erfolgten in guter Absicht. So darf unterstellt werden, daß die überraschende Zinssenkung am 15. Oktober 1998, Bekanntgabe gegen 21.20 Uhr, das weltweite Finanzsystem vor einem schnellen Zusammenbruch rettete. Aber die Akteure werden bald die alten Themen erneut zur kritischen Prüfung vorgelegt bekommen. Für die Finanzmärkte bedeutet das: Wichtige Entscheidungen wurden vertagt. Führende Finanzmanager erhielten dadurch einige Tage, Wochen, Monate (?) Zeit, die Situation zu überprüfen.
Aber: Die Chance zur schnellen Bereinigung wurde vergeben. So besteht die Gefahr, daß die Krisenherde auf geringerer Flamme weiterkochen. So konnte zwar kurzfristig ein möglicher Zusammenbruch vermieden werden. Aber die Entscheidungen standen „unter keinem guten Stern“. Wir erleben schon heute, was auch in den nächsten Tagen bis Mitte November eine wichtige Rolle spielt: Neue leitende Ideen entstehen aus der Not und ohne Überlegung – als Illusionen, die sich schon bald in Luft auflösen dürften.
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Gert Schmidt, Trend Gedanken Herausgeber, Moving Markets Depot says
Interessantes Detail heute: Je länger im Bundestag debattiert wurde und je mehr Bedenken und Ansprüche verschiedener Politiker gemeldet wurden, desto tiefer ging der Fall des DAX.
Die Börse freute sich über die deutsche Schnelligkeit am Montag und reagierte irritiert über die bürokratische Gründlichkeit. Ein guter Vorgang muss reifen. Wahrscheinlich wird Käse draus 🙂
Habe jedoch keine Sorge: Nach außen wird wie üblich gepoltert und intern winkt man alles durch. Bilanz lässt sich erst in einigen Jahren ziehen – und dann sind die Verantwortlichen längst nicht mehr in der Verantwortung.
Auf jeden Fall werden die banknahen Experten ihre Vorstellungen in den Gesetzen unterbringen. Sobald Insider zu kaufen beginnen, sind die Entwürfe in trockenen Tüchern – und das Doppeltief wäre perfekt.
SH says
Ich liebe den heutigen Tag: Puts verdoppelt und Wasser gabs im Supermarkt für 2 cent pro Liter im Sonderangebot… manchmal reicht so wenig, um zufrieden zu sein. 😉