Inspiriert von den Leser Gedanken – herzlichen Dank dafür – möchte ich Folgendes zu den genannten Risikofaktoren ergänzen.
Es wird die Frage aufgeworfen, wann ein Aktienmarkt als preiswert oder überbewertet angesehen werden darf.
Alle Risiken sind an der Börse schon ein paarmal hin und her gedreht worden – und reichlich bekannt. Im Prinzip kann nichts davon erschrecken, weil die Marktteilnehmer das bereits wissen und Überraschungen kaum noch möglich sind – zumindest auf den ersten Blick.
Die Börse ist gern oberflächlich. Kritisches Hinterfragen ist ihr ein Greuel. Denn wenn eine Information vorliegt, lässt sie sich verwenden – pur, so wie sie ist. Es ist sinnlos nach Fallstricken zu suchen, wenn die volle Wahrheit ohnehin nicht ans Licht kommt.
Nehmen wir also die reine Wahrheit, nichts als die Wahrheit:
Der DAX wird mit einem 2006er KGV von 15,78 bewertet (ohne Infineon, da bislang Verluste prognostiziert wurden). Fließt Infineon als wohlwollende „null“ ein (angemessener wäre ein Minus, das geht bei der KGV-Berechnung aber nicht), reduziert sich das KGV auf 15,18.
Sind 29 Aktien mit einem Kurs/Gewinn Verhältnis von 15,78 bei einem Wachstum von 12,1 Prozent bis 2007 preiswert?
Dazu Vergleichszahlen:
Siemens KGV 2006: 20,09
Wachstum bis 2007: 26,9 Prozent
Commerzbank KGV 2006: 15,3
Wachstum bis 2007: 19,3 Prozent
EON KGV 2006: 14,45
Wachstum bis 2007: 11,8 Prozent
Daimler Chrysler KGV 2006: 13,18
Wachstum bis 2007: 19,5
Dt. Bank KGV 2006: 11,4
Wachstum bis 2007: 7,7 Prozent
Dt. Telekom KGV 2006: 11,83
Wachstum bis 2007: 2,5 Prozent
Münchener Rück KGV 2006: 9,45
Wachstum bis 2007: 0,5 Prozent
Merke: Hohes Wachstum wird von einer hohen Bewertung belohnt. Danach ist der DAX zurzeit angemessen bewertet – weder zu hoch, noch zu niedrig.
Obwohl …
Bei Betrachtung der Einzelwerte fällt auf, dass z.B. Commerzbank und DaimlerChrysler ein deutlich höheres Wachstum haben als der DAX Gesamtmarkt – aber ähnlich hoch bewertet sind. Das zugrunde gelegt, wäre der DAX mit dem KGV von 15,71 bzw. wohlwollenden 15,18 und einem Wachstum von nur 12,12 Prozent zu teuer!
Auf Basis der Einzelwert-Vergleichszahlen wäre ein KGV von 13 – 14 angemessener. Das entspricht einem DAX Niveau von 5.700/5.650 Punkten.
Mit kritischem Blick ließe sich eine Überbewertung von 300 bis 400 Punkten errechnen. Deshalb ist es nicht überraschend, wenn die Marktteilnehmer auf dem aktuellen Kursniveau mit Umschichtungen beginnen und Substanz und antizyklische Investments bevorzugen.
Allein auf Basis fundamentaler Daten könnte der DAX um 300, 400 Punkte fallen. Kommen dann auch noch weitere Risiken hinzu, z.B. bei einer Eskalation der Rohstoffpreise oder neue, bislang von der Börse unberücksichtigte Faktoren, könnte der Aktienmarkt auch mehr in die Knie gehen.
schaschlik says
“ The trend is your friend “
Die 19 % die noch an der Seitenlinie stehen müssen erst noch rein.
Das beschriebene KGV zwingt sie förmlich dazu, da es keinen
vergleichbaren Index mit so günstiger Bewertung gibt.
Gestern sagte ein Händler treffend : “ Es gibt enorme Liquidität die rein
muss in Aktien „. Wo soll sie denn sonst rein… in Rentenfonds ?
Mercatorix says
Das bringt die Sache auf den Punkt: Es gibt keine wirkliche Alternative.
Die Berechnung von Herrn Schmidt ist ganz interessant: Faire Bewertung bei 5.650 / 5.700. Innerhalb und oberhalb dieses Bereichs hat der DAX sich schwerer getan.
Angenommen, dieser Bereich stellt den „Fair value“ dar. Es wäre wohl das erste Mal in der Geschichte der Börsen, dass ein Aufwärtstrend beim Erreichen des Fair Value endet. Also sollte uns die weitere Performance nicht wundern.
So ein Aufwärtstrend ist für mich wie eine gute Party: Auf die besten Partys hat man vorher nicht wirklich Lust, weiß nicht recht, ist sich unsicher. Aber dann geht man doch hin, trinkt ein paar Bier oder anderes und die Sache macht ordentlich Spaß.
Das ist so etwa die Situation bis in den Januar /Februar hinein. Da sollten wir, hat Herr Schmidt richtig gerechnet, den Fair Value erreicht haben. Übertragen auf unser Party-Szenario: Wir waren schon ganz gut beschwipst, aber es war alles noch im „grünen Bereich“, Ausfallerscheinungen unwahrscheinlich.
Dann kommen üblicherweise Kommentare wie „Schatz, Du solltest nicht mehr so viel trinken, Du hast schon ganz gut getankt!“ bzw. „der DAX ist fair bewertet“ oder so ähnlich.
Und nun ganz ehrlich: Wer von Ihnen hört zu genau diesem Zeitpunkt, wo es doch gerade so schön ist, auf zu trinken und geht heim? Oder schiebt ein paar alkoholfreie Bier ein? Es passen ja auch noch ein paar richtige Bier rein, es ist noch genügend „Liquidität im Markt“.
Und nun wird es spannend und es ist eine gute Kunst, zur rechten Zeit den Absprung zu schaffen. Es lauern zwei Gefahren:
1. Man trinkt zu viel, bzw. spekuliert zu gewagt. Die Folgen sind hinreichend bekannt: Kater und Katzenjammer am nächsenTag.
2. Man hat zwar nicht zu viel getrunken, aber ist doch zu lange geblieben, die Stimmung ist gekippt und man geht mit einem schlechten Abgang heim.
Auf einer Party wie an der Börse gilt: Wenn man der letzte Gast ist, hat man definitiv etwas verkehrt gemacht!
Man sollte auf keinen Fall noch gewagte Spekulationen eingehen (auf Cocktails umschwenken). Angesichts mangelnder Alternativen könnten die übrigen Gäste noch eine Weile bleiben, vielleicht kommen sogar noch ein paar neue hinzu. Aber eins, zwei alkoholfreie Getränke zwischendrin sind kein schlechter Rat.
U.M. says
Man muss ja nicht gleich von einem Extrem ins andere schwenken… Es gibt auch Bier mit reduziertem Alkoholgehalt…
Gert Schmidt says
Partystimmung ….
Ich bin der Meinung, dass schon reichlich Cocktails getrunken werden. Schauen Sie sich die vielen Zocker-Börsendienste an, die Pennystocks empfehlen und sogar in den Nachrichtentickern Werbung machen.
Man genehmigt sich keinen Champagner, weil das Geld zu knapp sitzt. Aber die sich potenzierenden Cocktails haben es in sich.
1999/2000 gab es Schampus.
2002 Wasser.
2003 Säfte.
2004 Bier.
2005 Wein aus guten Jahrgängen.
Frühjahr 2006 Pina Colada und Sex on the Beach
Mercatorix says
Moment Herr Schmidt, gerade eben haben Sie noch geschrieben, dass der DAX bei 5.700 fair bewertet ist. 6.100 gleicht dann schon Pina Colada? Also unter Übertreibung stelle ich mir dann schon noch was anderes vor.
Gert Schmidt says
Der Sprung kommt zustande, weil ich bezweifle, dass die Analysten richtig liegen – ein Irrtum der Pina Colada trinkenden Optimisten.
Deshalb die Talfahrt im Jahresverlauf und deshalb die Beurteilung einer Überhitzung.
Fällt das Gewinnwachstum unter 10 Prozent, wäre ein KGV von 11 – 12 wahrscheinlicher. Dann könnte der DAX in Richtung 5.000 purzeln.
Mercatorix says
OK, das paßt. Aber 1999/2000 kann nicht allein Schampus gewesen sein. Da paßt die Relation nicht. Zu der Zeit nahmen die Leute bewußtseinsverändernde Drogen zu sich….