Während in den Medien und an der Börse über einen Aufwärtstrend in der deutschen Politik spekuliert wird, befürchte ich, dass die Chance dazu vertan wurde.
Vielmehr erscheint die Dynamik der politischen Wende in Deutschland in einem Abwärtstrend.
Fehler Nr. 1
Viel zu früh ließen sich die Oppositionsparteien auf die Neuwahl ein (Bericht vom 08.09.2005). Sie folgten fast blind den Argumenten des politischen Gegeners und müssen nun die Folgen tragen.
Fehler Nr. 2
Angela Merkel als Spitzenkandidatin hatte nicht Ausstrahlung, um die Deutschen zu überzeugen. Sie mag intern als fleissige Biene ein Gewinn für Deutschland sein. In der Außendarstellung eignete sie sich nicht. Deshalb blieb das Wahlergebnis der CDU/CSU schwach.
Fehler Nr. 3
Eine politische Wende in Deutschland sollte es werden. Dazu hätten CDU/CSU, FDP und Grüne die Mehrheit gehabt. Dafür gibt es Vorbilder im Ausland: Auch eine Minderheitsregierung mit wechselnden Mehrheiten, geführt von der CDU und FDP wäre möglich gewesen. Bei der Entstehung der großen Koalition, einschließlich der Postenverteilung, bleibt ein fader Beigeschmack zurück.
Fehler Nr. 4
Die Wähler wollten Gerhard Schröder als charismatischen Repräsentanten der Regierung. Deshalb wählten sie SPD. Dass er jetzt demontiert wurde, möglicherweise auch von seiner eigenen Partei, dürfte der Volkssouverän übel nehmen. Er dürfte Bundeskanzlerin Merkel deshalb noch kritischer auf die Finger schauen, als es ohnehin schon geschehen würde.
Fehler Nr. 5
Weil die CDU/CSU Angela Merkel als Kanzlerin durchgeboxt hat, verzichtet sie auf Einfluß in wichtigen Ministerien (z.B. Finanzen). Das ist ein hoher Preis für die Eitelkeit, als Wahlgewinner ganz oben stehen zu wollen. Denn jetzt haben wir die Konstellation, dass eine wenig geliebte Kanzlerin eine möglicherweise zu schwache Regierung anführt. Die andere Variante, Schröder als Kanzler mit einer hohen Zahl von einflußreichen CDU/CSU-Ministern wäre besser gewesen.
Ausgehend von der Mai/Juni-Euphorie bleibt für die politische Landschaft in Deutschland und den Turnaround des Landes ein klarer Abwärtstrend zu unterstellen. Die Skepsis und die Vorbehalte gegenüber der Regierungsarbeit dürften mit jedem Tag wachsen.
Die Börse könnte darauf mit fallenden Notierungen reagieren. Denn Stillstand hatte sie eigentlich nicht erwartet, als sie im Frühsommer zu jubeln begann.