Der Rückgang der langfristigen Zinsen ist für einige Marktteilnehmer eine Überraschung. Denn trotz der Zinserhöhungen der US Notenbank floß viel Kapital in Richtung der Anleihemärkte.
Aber der Präsident der Federal Reserve Bank von Dallas, Richard Fisher, hat dafür eine Erklärung:
Der rätselhafte Rückgang der langfristigen Zinsen – trotz der seit einem Jahr andauernden geldpolitischen Straffung der Fed – spiegele die Zuversicht der Märkte wider. Diese vertrauten darauf, dass die Fed ihre Arbeit tun und die Inflation unter Kontrolle halten werde.
So spricht jemand, der – wie die politische Führungselite Europas – von einem „weiter so“ träumt und sich selbstgerecht auf die Schultern klopft.
Ja, die Fed hat 1997 und 1998 zusammen mit den Notenbanken anderer Staaten den Zusammenbruch des Finanzsystems verhindert.
Ja, der Fed ist es gelungen, die Folgen des Aktiencrashs seit 2000 und des Anschlags in New York 2001 zu mildern.
Ja, die offiziellen Statistiken weisen eine moderate Inflationsrate aus.
Insofern mag oberflächlich betrachtet alles in Ordnung sein.
Dem stehen an den Märkten folgende Argumente gegenüber:
* Die von der Fed produzierte Geldmenge ist nicht kontrollierbar. Sie fließt dorthin, wo die höchsten Renditen mit geringsten Risiken winken. Das erzeugte in der Vergangenheit höhere Volatilität in verschiedenen Märkten: 1999/2000 bei Aktien und zuletzt bei Immobilien, Anleihen und Rohstoffen.
* Weil Aktien als Anlagealternativen ausscheiden (z.B. aufgrund des geringen Vertrauens in die Bilanzen, der Risiken beim Wirtschaftswachstum, der Berechnung der Inflationsrate) herrscht ein Anlagenotstand, der Kapital in Richtung der Anleihemärkte fließen ließ.
* Die hedonische Preismessung für die Inflationsrate kann als Rechentrick angesehen werden. Danach darf bezweifelt werden, ob die Inflationsrate in den USA tatsächlich so niedrig ist, wie sie in der Statistik ausgewiesen wird.
Höhere Preise bei moderat steigendem Einkommen führen zu höherer Verschuldung und niedrigen Sparquoten. So könnte z.B. die aktuelle Konsumfreude der Amerikaner durch den Immobilienboom gespeist worden sein.
Entweicht eines Tages die heiße Luft aus den Immobilienmärkten, z.B. weil die Kaufkraft der Konsumenten trotz Verschuldung nicht mehr gedehnt werden kann, wird es eng: Es könnte eine Konsumschwäche der Amerikaner zu einem abrupten Ende des Wirtschaftswachstums führen. Die 2001 dank des billigen Geldes angekurbelte Konsumlaune könnte deshalb allmählich auslaufen.
Der Konsum könnte leiden, weil die Schuldenlasten drücken, die Immobilienpreise nicht mehr steigen und die zur Verfügung stehenden Mittel immer weniger werden.
Um das zu verhindern, wird darüber nachgedacht, die Zinsschraube zu lockern. Was in den vergangenen acht Jahren zum Erfolg führte, könnte diesmal wieder die Stimmung verbessern.
Aber das spielt zur Zeit an den Märkten noch keine Rolle: Das Verbrauchervertrauen ist zur Zeit ungebrochen.
Wenn Richard Fisher jetzt vom Ende der Zinserhöhungen spricht, könnten ihm Informationen vorliegen, daß zum Herbst 2005 wieder gehandelt werden muß. Er verfügt über Insiderinformationen: Was in den Umfragen des Conference Board nicht enthalten ist, könnte ihm bereits als neue Entwicklung bekannt sein.
Die Erwartung, bald wieder die Zinsen senken zu können, hat danach auch einen kritischen Hintergrund.
Zur Zeit bejubeln die Märkte noch die Aussichten, daß das Ende der Zinserhöhungen bevor stehen könnte. Aber wenn in den nächsten Wochen und Monaten die Gründe dafür bekannt werden, könnte sich wieder eine kritischere Stimmung einstellen.
Eigentlich müßten die Märkte vor Zinssenkungen zittern: Denn sie signalisieren, daß trotz des historisch niedrigen Niveaus neue Konjunkturrisiken auftauchen und die Fed gegensteuern muß – wie von 2001 bis 2003, als die Aktienmärkte einknickten und die kurzfristigen Zinsen auf rekordverdächtiges Niedrigniveau fielen.
Mit seinem Hinweis auf ein Ende steigender Zinsen könnte Richard Fischer die Märkte auf mögliche Turbulenzen und die Einsatzbereitschaft der Fed vorbereitet haben.
Es bleibt kritisch.
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