Am 22.05.2005 hatte ich geschrieben:
Im Freudentaumel über die gewonnene Wahl haben CDU und FDP positiv auf den genialen Schachzug von Schröder/Müntefering reagiert. Eine ähnliche Partystimmung über die Perspektive eines politischen Richtungswechsels dürfte es morgen auch beim DAX geben. Erinnerungen an den Regierungswechsel Anfang der 80er Jahre und den anschließenden Aufschwung werden wach. Zusammen mit der leicht positiven New Yorker Vorgabe dürfte das für einen „Rüttgers-Bonus“ und einen Test des DAX von 4.400 Punkten reichen.
Aber die CDU/CSU folgt der Perspektive von Neuwahlen unkritisch (was der politische Gegner vorschlägt, darf eigentlich gar nicht richtig sein). Sie vernachlässigt dabei möglicherweise, daß sie selbst Schwierigkeiten bekommen könnte. Verschiedene Fragen warten auf Antworten: Die Landesfürsten Wulff, Rüttgers, Koch, Steuber könnten eigene, von Merkel abweichende Ideen haben, wie das Land ab Herbst 2005 regiert werden soll – und vor allem: Wird Merkel, eigentlich auch ein „Fossil“ der 90er Jahre, wirklich als die zukräftige Kandidatin für einen Neuanfang gesehen?
Kann CDU/CSU überhaupt in der kurzen Zeit klare Antworten auf die dringenden Fragen liefern? Gelingt es nicht, Auseinandersetzungen über Personen und Inhalte zu begrenzen und gelingt es ebenfalls nicht, eindeutige Botschaften zu formulieren, könnte es trotz der zur Zeit positiven Aussichten kritisch werden.
Mit dem Wahlkampf dürften die Schlammschlachten beginnen – eine Zeit der Lähmung. Die Perspektive, schon in diesem Jahr eine starke Bundesregierung zu bekommen, ist zwar erheblich besser als „Siechtum“ bis 2006. Aber es verstreichen immer noch viele Wochen und Monate, in denen alle Seiten bemüht sein werden, Leichen aus den Kellern zu holen.
Es bleibt einerseits zu hoffen, daß schonungslos die Wahrheit gesagt wird. Andererseits könnte das an der Stimmung sägen und für Überraschungen sorgen. Denn die SPD wird ihren kritisierten „Heuschrecken-Kapitalismus“ zum Thema machen und dafür nach Beispielen suchen. So könnte nach dem ersten Stimmungshoch auch an der Börse Ernüchterung eintreten. Denn höhere Unternehmensgewinne und eine verbesserte Binnenkonjunktur in Deutschland müssen erst noch mit harter Arbeit erwirtschaftet werden.
Es ist schon heftig, wie CDU/ CSU und FDP ins offene Messer liefen: Sie folgten der Euphorie nach der NRW Landtagswahl und bejubelten bevorstehende Neuwahlen. Sie unterschätzten den Bundeskanzler mit seiner Mannschaft, die sich aus ihrem Stimmungstief herausarbeiteten.
Nach der jüngsten Forsa-Umfrage würden die Oppositionsparteien sogar die sicher geglaubte Mehrheit verlieren.
Mit einer solchen Perspektive dürfte es der DAX schwer haben, die 5000 Punkte Hürde zu überwinden. Dass er heute trotz positiver US Vorgabe an ihr scheiterte, darf schon als erste Reaktion auf die politische Unsicherheit gewertet werden.
Ändert sich das in der nächsten Woche nicht, könnte das auch auf die Stimmung der Börsianer durchschlagen. Der Markt könnte mindestens lustlos seitwärts pendeln – vielleicht sogar auch stärker einknicken. Denn: Für Deutschland wäre nichts schlimmer, als eine politische Patt-Situation. Sie könnte die Zeit der wirtschaftlichen Handlungsunfähigkeit verlängern – zumindest dürften das einige Börsenkommentatoren so beschreiben.
Der psychologische Druck auf den Markt ist groß: CDU/CSU mit FDP werden als positiv für die Wirtschaft gesehen, während der SPD, womöglich im Konzert mit der Linkspartei, überwiegend Stagnation zugeschrieben wird.
Natürlich kann die staatliche Regierung für einige Schwierigkeiten sorgen, wenn sie gravierend falsche Entscheidungen trifft. Aber Fehler sind in der Vergangenheit stets von beiden politischen Lagern gemacht worden. So läßt sich auch die These aufstellen, dass es völlig gleichgültig ist, mit welcher Regierung die Wirtschaft arbeiten muß.
Die deutsche Wirtschaft ist vermutlich flexibler und leistungsfähiger, als ihr von manchen Wirtschaftsbeobachtern / Journalisten / Meinungsmachern unterstellt wird.
Deshalb: Sollte es für die CDU/CSU und FDP in der kommenden Woche ein Wahldesaster geben, dürfte die Börse das bereits in den Tagen vorher berücksichtigt haben – z.B. mit einem Rückgang in Richtung 4.800/4.850 Punkte. Am Montag nach der Wahl könnte dann müdes Schulterzucken herrschen, um anschließend zur Tagesordnung überzugehen.
Was anschließend geschehen könnte, hatte ich im Kommentar zum ifo Geschäftsklimaindex beschrieben:
Die Börse folgt der Gewinnentwicklung der Unternehmen und keiner politischen Strömung. Deshalb darf die These aufgestellt werden, dass es gleichgültig ist, wer Deutschland regiert – die Börse/Wirtschaft macht, was sie will und notwendig ist.
Möglicherweise würde die Börse sogar dann steigen, wenn keine vorgezogene Neuwahl des Bundestages stattfände.
Dass es dem DAX gelang, an der 5.000 Punkte-Marke zu kratzen, war entweder eine Spekulationsblase oder, viel spannender, weil unerwarteter: Die Börse könnte einen wirtschaftlichen Aufschwung vorweg nehmen.
Das sollte bei der aktuellen Spekulation berücksichtigt werden: Sollte die Börse vorübergehend irritiert reagieren, wäre das auch ein Verdienst der Massenmedien. Nur: Deren Meinungsmehrheit ist in den seltensten Fällen richtig.
[…] schland beschäftigt die Börsianer noch eine Woche lang und dürfte danach abgehakt sein (Bericht vom 08.09.2005) – mit einer Ausnahme: Gewinnen Parteien vom rechten oder linken Rand deutli […]