Am 20. Juni hatte ich eine Gratulation ausgesprochen. Gerade antwortete die ZDH Pressestelle:
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Zahl der Schreiben ist so hoch, dass wir diesmal von einer persönlichen Beantwortung absehen müssen.
Sie erhalten einen Brief von Präsident Kentzler, der sich sowohl an Kritiker wie auch Befürworter seines Vorschlages richtet.
Wir freuen uns auch weiterhin, mit Ihnen diskutieren zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Hier der Brief des Herrn Kentzler:
Sehr geehrte Damen und Herren,
in den vergangenen Tagen bin ich in Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen vielfach zum Thema „Anrechnung von Krankheitstagen auf Urlaubstage“ zitiert worden. Darauf hin haben Sie mir geschrieben und mich sowohl in meinen Äußerungen bestärkt, wie auch kritisiert.
Aus manchen Reaktionen schließe ich, dass die Veröffentlichungen zu Missverständnissen und Irritationen geführt haben. Deshalb hier persönliche Anmerkungen zur Sache:
Die Thematik der Entgeltfortzahlung ist grundsätzlich nicht neu. Sie wird von den Handwerksvertretern seit Jahren verfolgt. Ich habe sie bei vielen politischen Gesprächen, auch in Interviews und bei Reden immer wieder aufgegriffen. Sie gehört auf die Tagesordnung. Allen, die mich darin bestärkt haben, sage ich vielen
Dank.
Nun zu den Kritikern: Ich habe stets deutlich gemacht: Auch Urlaubsentgelte sind Lohnzusatzkosten, teilweise gesetzlich, teilweise tarifvertraglich ausgelöst. Diese Kosten müssen vom Betrieb erwirtschaftet werden.
Es liegt mir fern, unseren Beschäftigten im Handwerk ihren Urlaubsanspruch streitig zu machen. Der vom Gesetzgeber festgelegte Urlaubsanspruch von vier Wochen bleibt unangetastet.
Darüber hinaus gibt es tarifvertraglich geregelte Urlaubsansprüche. Auch diese Urlaubsansprüche mögen vielfach Sinn machen, wenn sie erwirtschaftet sind.
Aber ich frage mich: Ist es richtig, dass beispielsweise ein Arbeitnehmer, der ein halbes Jahr arbeitsunfähig gewesen ist, nach seiner Genesung seinen vollen Jahresurlaub nehmen darf? Um im Beispiel zu bleiben: Nehmen wir an, dieser Arbeitnehmer hat einen tarifvertraglich vereinbarten Jahresurlaub von 28 Tagen.
Wäre es dann nicht gerechtfertigt, dass er nach einem halben Jahr Krankheit einen Teil des zusätzlichen, übergesetzlichen Urlaubsanspruchs, einbringt? Diese Frage muss erlaubt sein.
Bis zu den Veröffentlichungen in dieser Woche habe ich bislang wenig Widerspruch dazu erhalten, auch nicht von den Gewerkschaften. Unser Nachbarland Schweiz hat u.a. in einem Bundesgesetz geregelt, dass ein Langzeitkranker für jeden Monat Krankheit ein Zwölftel seines Urlaubsanspruchs verliert. Nur der erste Krankheitsmonat bleibt dort anrechnungsfrei.
Das Handwerk mahnt nicht nur politische Reformen an, um die Lohnzusatzkosten zu senken. Es ist ebenso wichtig, dass wir auch über die tarifvertraglichen Lohnzusatzkosten reden. Unser Wirtschaftszweig hat in den vergangenen sieben Jahren 1,5 Millionen Mitarbeiter verloren. Jahr für Jahr gehen 40.000 mittelständische
Betriebe in die Insol venz, weil sie nicht mehr wettbewerbsfähig sind.
Ohne Abstriche an den in guten Zeiten verabredeten Leistungen und ohne gesetzliche Reformen in den sozialen Sicherungssystem werden noch mehr Menschen ihre Arbeit verlieren. Dies gilt vor allem für das Handwerk, das einerseits mit Lohnkostenanteilen von bis zu 80 oder gar 90 Prozent arbeitet und das andererseits seine Arbeitsplätze in Deutschland hält – und in aller Regel nicht ins Ausland verlagert – und zusätzlich dem Druck aus den neuen EU-Beitrittsländern ausgesetzt ist.
Ich würde mich freuen, wenn auf dieser Grundlage ein ehrlicher und sachlicher Dialog möglich wäre.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Otto Kentzler
Präsident
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Anmerkung: Es ist schade, daß die Chance einer sachlichen Diskussion des Themas schon im Ansatz erstickte. Die unsachliche Darstellung in den Medien und zuspitzende Reaktion der politischen Entscheidungsträger – leider quer durch alle Parteien, sorgte dafür.
Der Vorgang ist ein Beispiel dafür, wie schwer es für die neue Regierung und für Europa sein dürfte, Reformen anzugehen und auch umzusetzen.
Warum die Börse, repräsentiert durch einen steigenden DAX, unter solchen Umständen Beifall spendet, erscheint rätselhaft.