Ein bemerkenswertes Interview können Sie heute in der Netzeitung lesen. Der zurückgetretene BDI-Energieexperte und Vorstand der Norddeutschen Affinerie, Marnette. Er ist kein Radikaler mit Links ausgerichteter politischer Gesinnung. Aber er sagt dort:
(…) Wir haben in den vergangenen zwei Jahren eine Verdoppelung an der Leipziger Strombörse EEX erlebt. Zugleich haben sich die Erzeugungskosten in Deutschland lediglich um etwa 20 Prozent erhöht. Die große Lücke zwischen dem so genannten Marktpreis, von dem die Erzeuger sprechen, und ihren eigenen Herstellungskosten ist nur durch die beherrschende Position der großen vier Stromkonzerne zu erklären.
Netzeitung: Sie sehen Kartellstrukturen auf dem deutschen Strommarkt?
«Ein ganz klares Oligopol»
Marnette: Das ist ein ganz klares Oligopol, wie es die unabhängige Monopolkommission im Juli 2004 in schöner Klarheit festgestellt hat. Den Markt teilen nur wenige Erzeuger unter sich auf. Das Kartellamt prüft nun die Strukturen. Wir kennen sie aus der täglichen Praxis: Denn die NA hat verschiedene Produktionsstandorte in mehreren Regionen Deutschlands. Wenn man als Großkunde mit den Anbietern verhandeln muss, merkt man ganz schnell, dass das eine Unternehmen nicht in die Regionen des anderen geht. (…)
Dazu ebenfalls interessant: Ein Bericht vom Bund der Energieverbraucher:
Wirtschaftlich sind die vier großen Energiekonzerne mit etlichen Akteuren der Finanzwirtschaft wie der Deutschen Bank und der Dresdner Bank sowie der Allianz AG verbunden. Dadurch entstand ein Netzwerk der mächtigsten Wirtschaftsbranchen der Bundesrepublik (siehe Abbildung: „Netzwerk der Energiewirtschaft“).
Anhand der Kurssteigerungen der Versorgungsunternehmen E.ON und RWE bleibt festzustellen, dass in den vergangenen Monaten tatsächlich wachsende Gewinne erwirtschaftet wurden.
Aber das führte insbesondere bei RWE zu dem Effekt, dass die Aktie schneller stieg als die prognostizierten Gewinne. Die Marktteilnehmer gehen offenbar von anhaltend hohen Wachstumsraten aus. Sie sind bereit, den Titel zu teuren Preisen zu kaufen. Vielleicht überschätzen sie die Möglichkeiten des Unternehmens. Ebenfalls möglich: Die Kommunen in NRW suchen Käufer für ihre Aktienpakete. Die Notierungen könnten zu diesem Zweck nach oben gepflegt worden sein.
Was jedoch schwerer wiegt: Setzt sich die Erkenntnis in der Öffentlichkeit weiter durch, nimmt womöglich auch der Druck aus dem Ausland zu, den deutschen Strommarkt zu öffnen, dürften die Gewinne der Versorger schmelzen.
Bei einem Index-Gewicht von zusammen rund 15 Prozent dürften fallende E.ON- und RWE-Kurse auch am DAX nicht spurlos vorübergehen. Die Kursversteigerungen der vergangenen Wochen wären danach Übertreibungen nach oben.