Die hier mittels echter Geldbewegungen gemessene New Yorker Sentimentsituation ist seit meinem letzten Posting unverändert geblieben. Auf der einen Seite sehen wir im volatilen Tagessentiment (15 Indikatoren) seit vier Handelstagen eine extrem hohe Kaufaktivität. Auf der anderen Seite hellen sich im langsamer laufenden Wochensentiment die extrem bärischen Erwartungen noch nicht auf (17 davon unabhängige, z. T. auch auf geäußerten Meinungen und nicht nur auf Geldbewegungen beruhende Indikatoren). Zudem verharrt die Erwartungsunsicherheit (ich bestimme sie durch die Anzahl der unentschiedenen Indikatoren unter den 15 Tagesindikatoren) auf einem Rekordniveau der Unschlüssigkeit (vgl. Methodenerläuterung). Geht eine solche Mischung nicht nach allen Erfahrungen mit einem äußerst schwankungsfreudigen Markt einher? Kurzfristig haben wir nämlich, wie eben gesagt, „end of day“ die Angst, die Rally zu verpassen, mittelfristig, also „end of week“, die Erwartung von noch Schlimmerem und insgesamt keine Erwartungssicherheit in irgendeiner Richtung. Ich schlußfolgere also: weiter hohe Volatilität mit schönen Traderschwüngen, und ich lade die Leser zur Diskussion dieser Befunde ein. Ich kann mich irren und weiß nicht, ob meine eigene Angst, auch mittelfristig stark einzusteigen, die ja von den objektiven Indikatoren kontrolliert werden soll, ein guter subjektiver Kontraindikator ist oder nicht. Die gegensätzlichen Extreme bullischer kurzfristiger und bärischer mittelfristiger Erwartungen und Aktionen gleichen sich in den Sentimentcharts jetzt zu einem neutralen Bild nach dem großen Kaufsignal der vorigen Woche aus.
Vier andere, nicht allein auf Sentiment beruhende Beobachtungen runden das Bild ab. 1. Einer der wenigen Indikatoren, die neben Sentiment seit meinem Beginn an der Börse 1998 am wenigsten versagt haben, ist das Verhältnis der Anleihe- zur Aktienrendite. Gert Schmidt berechnet diese Ratio im Abobereich immer unter ddaxkgv. Diese Ratio, die übrigens auch so wirksam ist, weil Daytrader sie so gut wie nie benutzen oder vielleicht sogar nicht kennen, ist jetzt auf ein so attraktives Niveau gesunken, dass es für Fondsmanager geradezu zwingend erscheinen muss, Gelder in den Aktienmarkt zu geben. (Es sei denn man meint, dass alle Gewinnberechnungen von Aktiengesellschaften wie einstmals die von dem Wirtschaftsprüfer Arthur Anderson (der darüber unterging) abgesegneten Bilanzen von Enron nicht das Papier wert seien, auf dem sie an die Aktionäre verteilt werden.) 2. Eine ganz schlimme Nachricht ist da (ein solche wollte ich abwarten, bevor ich außer Daytrading mit kleinem Einsatz in CFDs wieder massiv mittelfristig OS und Futures kaufen würde). Sie ist endlich bis zum schlechter geht’s kaum noch mehr eingetroffen. Dieses wie immer an der Börse zweifach um die Ecke zu denkende Argument läuft wie folgt: Countrywide Financial, die der größe Hypothekenanbieter der USA sind, hatten sich im Kurs seit Juni halbiert. Jetzt kamen neue Gerüchte über Liquiditätsprobleme – und trotz dieses Schreckensgewitters stiegen die Aktienmärkte weiter an und CFC sackte kaum noch ab. Nicht nur das Ignorieren eines möglichen Katastrophenscenarios – Bankrott des größten Hypothekengebers des Landes, der nicht etwa nur bei minderwertigen Hypotheken engagiert ist- , sondern auch ein starker Anstieg des breiten Marktes trotz einer solchen Crashnachricht galt schon immer für erfahrene Trader als ein Zeichen einer Trendwende. 3. In den USA wie in Deutschland (vierzehntäglicher Bericht im Handelsblatt über eine von Professor von Nitzsch an der TH Aachen durchgeführte regelmäßige Auswertung von Pflichtmitteilungen an die Bafin) kaufen Insider trotz Baisse jetzt wieder massiv ihre eigenen Aktien – so wie im Juli 2006. Kein schlechtes Zeichen, obwohl S. D. – with respect – vielleicht wieder eine nicht näher benannte und daher leider nicht nachprüf- und korrigierbare Quelle hervorholen wird, die wie jüngst für die „Commercials“ wieder mal behauptet, dass man „Haus und Hof verloren“ hätte (so S. D.), wenn man mit Commercials oder Insidern gegangen wäre. 4. Obwohl die „Commercials“ fast immer anti-zyklisch zum Markt operieren, haben sie von Dienstag bis Dienstag bei netto steigendem S&P in der vergangenen Woche ausnahmsweise in 5 der 8 Aktienfutures ihre Long Positionen aufgestockt (sehr bullisch).
Alle vier Aspekte deuten auf Licht am Ende des Tunnels. So werde ich in meinem persönlichen Depot jetzt in starke Schwäche hinein, wenn sie uns denn noch einmal geschenkt werden sollte, über Käufe nachdenken. Ich habe es aber nicht eilig, weil ich Geschmack am regelmäßigen Backen kleiner Brötchen im Daytrading mit CFDs gefunden habe. Gretchenfrage: Wie bewahre ich mich dabei vor „overconfidence“ ….?
Damian says
Anleihe- zur Aktienrendite?
Ich schlage vor, Sie schauen sich folgende Tabelle an, die über mehrere Jahrzehnte läuft: http://www.irrationalexuberance.com/shiller_downloads/ie_data.xls
So betrachtet waren die letzten 10 Jahre nicht besonders aussagekräftig.
Gert Schmidt, Trend Gedanken Herausgeber, Moving Markets Depot says
In der Tabelle und den zugegeben spektakulären Grafiken werden Consumentenpreise einbezogen. Deshalb sind die Schiller-Daten leider nicht mit dem Moving Markets Anleihe/Aktien-Ratio vergleichbar.
Ich verwende am liebsten „nackte Zahlen“ ohne statistische Tricks.
Deshalb ist natürlich auch die Inflationsrate wichtig – aber selbst diese Zahl ist ja kein Original, sondern mit statistischen Methoden „verfeinert“.
Das Anleihe/Aktien-Ratio soll dem Aktienanleger und Trader Ein- und Ausstiegssignale liefern – mit Sicht auf ca. drei Wochen bis sechs, acht Monaten.
Damian says
@Herr Schmidt,
es ist egal, ob Sie die Inflation berücksichtigen oder außer Acht lassen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis bleibt doch gleich.
Ich wollte mit der Tabelle von Robert Shiller nur zeigen, dass es lange Zeitperioden gab, wo die Anleihe- zur Aktienrendite so stand wie es Heute der Fall ist und die Börsen trotzdem einen Rückwertsgang einlegten. Die Zahlen der letzten ein paar Jahre sind somit nicht repräsentativ und meiner Meinung nach können für die Zukunft nur eingeschränkt verwendet werden. Sollte das Publikum wieder mal zu der Einsicht gelangen, wie es in der Geschichte mehrmals der Fall war, dass Aktien doch risikoreicher sind als derzeit angenommen, wird das mit Risikoaufschlag honoriert.
Gert Schmidt, Trend Gedanken Herausgeber, Moving Markets Depot says
Der aktuelle Risikoaufschlag ist angesichts der riesigen Probleme überraschend klein.
Da gibt es sicher einen Zusammenhang zu den Stützungsaktivitäten der Banken.
Wäre eine natürliche Marktbereinigung möglich gewesen, stünde der DAX jetzt nicht bei 7.500, sondern ggf. sogar bei 6.500 Punkten (damit hatte ich im Mai/Juni eigentlich gerechnet).
Es ist die Frage, wie weit die Stütze reicht, ab wann der Markt fallen gelassen wird.
Da muss mann in diesen Stunden, Tagen genau hinschauen, um eventuelle Vorboten anhand der Indikatoren zu sehen.